Warum?

Ich mag zu meiner Heimatstadt kein allzu gutes Verhältnis haben, aber was in dieser Woche in Eilenburg passiert ist, geht selbst mir unter die Haut. Ein neunjähriges Mädchen wurde vergewaltigt, getötet, und anschließend in einem Müllsack am Mühlgraben entsorgt. Vom Täter fehlt offiziell bisher jede Spur, seine Identität ist unbekannt und er läuft vor allem noch immer frei herum. Eilenburg hat es mal wieder bundesweit in die Schlagzeilen geschafft.

Da man heutzutage leider immer wieder von solchen Verbrechen in den Medien hört, ist man mittlerweile schon fast ein wenig abgestumpft. Ob Mitja oder Michelle, wenn man die Kinder nicht kannte, geraten ihre Schicksale schnell wieder in Vergessenheit, wenn der Medienhype erstmal vorbei ist. Wenn man aber in seiner eigenen Stadt vorm Rathaus steht und dort die vielen Blumen und Kerzen und Stofftiere sieht und das große Banner mit der Frage nach dem Warum - dann ist man plötzlich ganz nah dran, irgendwie involviert.

Ich kannte das kleine Mädchen nicht. Aber ich kenne Eilenburg und auch die Gegend, in der sie gewohnt hat. Natürlich ist Eilenburg ebenso ein wenig ein beschaulicher, friedlicher Ort wie das jede andere Kleinstadt wäre. Probleme gibt es überall. Wir hatten das Jahrhunderthochwasser, Arbeitslosigkeit steht bei vielen an der Tagesordnung und es gibt natürlich auch in Eilenburg Menschen, denen ich nicht allein im Dunkeln begegnen möchte. Und dennoch hatte ich in Eilenburg nie das Gefühl, vor etwas Schrecklichem Angst haben zu müssen. Und nun...

Als es in der Redaktion darum ging, jemanden nach Eilenburg zu schicken, um die Stimmung "einzufangen", mit Leuten zu reden, habe ich gesagt, dass ich das mache. Nicht aus Sensationslust oder weil ich sehen wollte, wie die Menschen leiden. Aber Eilenburg ist meine Heimatstadt, und irgendwie hätte ich jeden anderen Kollegen als Eindringling empfunden, der statt meiner gefahren wäre.

Am Ende war ich der Eindringling. Je mehr Leuten ich auf der Straße mein Mikro vor die Nase hielt und sie bat, mir etwas zu erzählen, desto schuldiger fühlte ich mich. Manchen standen die Tränen in den Augen, andere wiesen mich unfreundlich zurück. Wie ich an ihrer Stelle reagiert hätte? Ich weiß es nicht. Ich habe halt meine Arbeit gemacht. Vielleicht hat es aber manchen auch geholfen, darüber zu reden. Das Ganze ein Stück weit zu verarbeiten. Ich hoffe, dass es zumindeswt ein Beitrag war, das Schicksal des Mädchens nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

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